Tag der Märkte

Nachdem wir das Morgengebet und den dazugehörigen Gesang tatsächlich verschlafen haben, kriegen wir auf dem Weg zum Frühstück mitgeteilt, dass wir doch noch in ein Zimmer mit eigenem Bad dürfen - bessergesagt müssen, denn unser jetziges Zimmer ist jemand anderem versprochen.

Also raffen wir schnell unser Gepäck zusammen und schaffen es eine Treppe hinunter und eine andere wieder hinauf in unser neues Zimmer, das auch gerade erst von seinen Vormietern verlassen wurde, und zwar recht rummelig und scheinbar ohne Schuhe. Aber darum wird sich gekümmert, verspricht man uns. Also frühstücken wir und machen uns anschließend auf den Weg.

Gestern hatten wir keine Zeit mehr, die Hagier Sophia zu besuchen, heute ist die Schlange davor so lang, dass wir im Gewirr der Reisebusse unsere Richtung ändern und zum großen Basar laufen. Auf dem Weg dahin passieren wir einen Silberschmuck-Shop, wo wir mal eben im Vorbeigehen Hochzeitsringe besorgen, um uns das Leben in Syrien zu erleichtern. Dann betreten wir den Markt.

Im Basar hängen goldgerahmte Flachbildschirme unter der Decke.

Wir stellen fest: Ja, er ist wirklich groß, aber es gibt entscheidende Unterschiedee zu uns bekannten Märkten auf dem asiatischen Kontinent! Zunächst: Dieser hier ist wohltemperiert. Im T-Shirt lässt es sich gut aushalten, durch die Gänge weht ein laues Lüftchen. Dann: Die Menschenmenge ist überschaubar. Und: Die Verkäufer sind erfrischend zurückhaltend, kein Gezerre und "Sir, Sir!"-Gerufe.

Die Decke ist mit schönen Ornamenten verziert und in einigen Gängen hängen in Gold gerahmte Flachbildfernseher von der Decke. An den Eingängen wachen Polizisten mit Metalldetektoren.

Nach einer Weile spuckt uns der Markt wieder aus und wir landen auf einer Straße, wo auch fleißig Handel betrieben wird. Dort besorge ich mir eine Sonnenbrille, selbstverständlich von Prada, Sandra findet einen hübschen grünen Baderock.

Danach gehen wir einfach wieder in den Markt hinein und durchqueren ihn mit dem Ziel Eminönü, wo die Fähren zur asiatischen Seite Istanbuls ablegen.

Eine Katze schläft in der Auslage.

Diesmal spuckt uns der markt auf einer schattigen Allee voller edler Teppichgeschäfte wieder aus, und wir lassen uns auf einer der zahlreichen Bänke nieder, um ein wenig die Reisegruppen mit neongelben Radrenntrikots mit Aufdruck vom bayrischen Rundfunk und ähnliche Auswüchse des Pauschaltourismus auf uns wirken zu lassen.

Ein Mann setzt sich zu uns auf die Bank und beginnt, mehrere Teile eines Nokia-Handys zu einem ganzen zusammenzusetzen. Dabei erzählt er uns, dass er gegenüber Teppiche verkauft, trotzdem wird das ganze nicht zu einem Verkaufsgespräch. Er fragt uns, woher wir kommen und erzählt, dass er aus Anatolien stammt. Außerdem will er wissen, ob wir verheiratet seien, was Sandra spontan bejaht - seit dem 21. April 2007 sind wir verheiratet.

Schließlich empfiehlt er uns, zu Fuß nach Eminönü zu laufen. Auf dem Weg kaufe ich mir ein Buch, um diese Aufzeichnungen machen zu können.

Wir folgen der Trasse der Tram, kürzen am Ende durch eine Querstraße ab und gelangen so am europäischen Bahnhof vorbei zu den Anlegern von Emninönü. Mit leckerem Sesamgebäck bestückt löst Sandra uns zwei Jetons für die Fahrt nach Kadiköy auf der asiatischen Seite und wenig später kommt das Boot.

Wir wählen Außenplätze hart Steuerbord und stellen fest: Mit dem frischen Wind vom Marmara-Meer wird es geradezu kalt.

Sandra und Jan machen rüber.

Drüben angekommen entschließen wir uns, schon mal probeweise für unsere Weiterreise am Sonntag zum asiatischen Bahnhof zu laufen, um abschätzen zu können, wir lange wir dafür brauchen (Sandra bezeichnet die Fahrt offiziell als "Testfahrt", um meine Nerven am Sonntag zu schonen).

Auf dem Weg reißt der Tragegurt meiner Fototasche ab, da ich glücklicherweise meist eh eine hand an der Tasche habe, segelt das empfindliche Gut nicht zu Boden. Direkt am ersten Morgen vor dem Hostel war auf der rechten Seite der Tasche ein Metallteil gebrochen, so dass der Gurt abging, allerdings konnte ich die Schlaufe des Gurtes an anderer Stelle wieder einhaken. Das gleiche Teil ist nun am anderen Ende des Gurtes gebrochen.

Ein türkischer Herr hat die Szene beobachtet, winkt uns heran und führt uns zu einem Stand. Der Händler hat vom Feuerzeug bis zum Nagel allerhand im Sortiment, für meine Tasche zieht er jedoch aus einem dicken Stück Kabel einen Draht heraus und benutzt diesen, um die Verbindung zwischen Gurt und Tasche beidseitig wieder herzustellen.

Währenddessen unterhält sich Sandra mit dem freundlichen Vermittler, auf deutsch, denn er hat zwei Kinder, die in Köln Anwälte sind und eine deutsche Frau.

Anschließend verweigert der gute Mann jegliche Bezahlung, "Yok! Yok!" heißt es, als ich meine Brieftasche öffnen will.

Ein wenig diesig über dem Bosporus.

Auf dem weiteren Weg werden wir von Jungs angequatscht, die gefälschtes oder geklautes Parfüm aus undurchsichtigen Plastiktüten verkaufen, aber wir wimmeln sie professionell ab.

Der Bahnhof ist schön, übersichtlich und nicht überfüllt. Wir stellen fest, dass Wasser und ähnlicher Reisebedarf vor Ort erhältlich ist. Als wir den Bahnhof durchquert haben, steht direkt vor unserer Nase ein Boot zur Rückfahrt bereit, also gehen wir an Bord.

Zurück in Eminönü suchen und finden wir den Gewürzmarkt, wo es allerdings auch Rasenmäher zu kaufen gibt. Jedoch schon hauptsächlich Gewürze und köstliche Süßigkeiten, dazu Apfel-, Kiwi-, Orangen- und Zitronen-Tee-Granulat in quietschigen Neonfarben. Und "turkish Viagra", an mehreren Ständen angepriesen, eine Süßigkeit mit Walnuss, ein Schild behauptet gar "5 Times In The Night".

Türkisches Viagra setzt voll auf die Kraft der Walnuss.

Da läuft uns das Wasser im Munde zusammen.

So hatten wir uns eigentlich Indien vorgestellt. Das ist nicht mein Arm.

Auch mit Deckel zu haben.

Wir verlassen den Markt und laufen durch geschäftige Straßen, nur um deutlich früher als erwartet nicht etwa den Dormunder Flughafen, sondern den großen Basar von vorhin zu erreichen.

Überrascht durchqueren wir ihn und landen wieder an der Tram-Strecke oberhalb der blauen Moschee. Durch die Straßenschluchten sieht man das Meer, und da diese Richtung nicht so falsch sein kann, führe ich uns durch eine lange Straße bergab, die ausschließlich Schuhe enthält.

Unmengen Schuhe, und scheinbar wurde jedes einzelne Geschäft gerade frisch beliefert, denn die ganze Straße ist zusätzlich mit Stapeln von Schuhkartons vollgestellt und mit Lieferwagen zugeparkt.

Meine Intuition war richtig, wir landen ziemlich schnell wieder am Hostel, wo wir kurz pausieren. Die Putzfrau hat unser neues Zimmer mittlerweile wieder schön hergerichtet, leider aber auch aus dem Doppel- wieder zwei Einzelbetten gemacht, nun ja ...

Wir erholen uns ein wenig, dann gehen wir was essen. Als ein leichter Regen hereinbricht, entscheiden wir uns spontan fürs "Doy Doy". Nach dem Essen zurück im Hostel wollen wir noch ein Bier auf der (teils überdachten) Dachterrasse trinken, doch dort gibt es kein Licht. Dafür aber eine atemberaubend stereophone Klangkulisse, als in der ganzen Stadt von den Minaretten gesungen wird.

Als wir die Terrasse gerade wieder verlassen willen, sehen wir noch, wie der Sonnenschirm vom Wind erfasst wird und über die Brüstung geht. Er fällt fünf Etagen tiefer glücklicherweise einfach so auf die Straße und weder jemandem auf den Kopf, noch auf ein Auto.

Auf den Schreck trinken wir unser Tuborg mit Reis auf dem Zimmer und werden offiziell Freund und Freundin mit unseren Ringen.

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