Toros Ekspresi

Wir stehen um halb sieben auf und verlassen unser Hostel wortlos, da gerade niemand über die Rezeption wacht, aber nicht grußlos: Zu unserem Schlüssel legen wir ein Foto des münsterschen Schlosses aus unserer Heimatpostkarten-Kollektion, auf dessen Rückseite Sändy Dank und Abschiedsgruß notiert hat (bezahlt hatten wir bereits Tage zuvor!).

Wir laufen den bekannten Weg vorbei an der blauen Moschee übers Hippodrom zur Tramstation Sultanahmet und fahren runter nach Eminönü. Dort wartet das Boot nach Kadiköy abfahrbereit, und siehe da, zu dieser frühen Stunde fährt es sogar direkt den Bahnhof an. Dort angekommen finden wir mühelos unseren Zug und werden persönlich ins unser Abteil geleitet.

Szenen im Zug.

Wer kennt noch die alten Abteilwagen der Bundesbahn mit je sechs Sitzen pro Abteil? Das hier ist genau so ein Wagen, nur wurden in jedes Abteil statt der Sitze zwei Betten eingebaut. Sandra besorgt von den Ständen in Sichtweite des Waggons noch reichlich Reiseproviant und wir frühstücken erstmal zwei Schafskäsesandwiches.

Die anderen Abteile füllen sich und der Zug rollt an. Die beiden Sleeper-Cars des "Toros Ekspresi" hängen ganz hinten und der Durchgang zum vorderen Zugteil ist abgeschlossen. Dafür haben wir unseren eigenen Schaffner und einen, der eine Runde Bon Bons zur begrüßung verteilt und anbietet, er würde uns jederzeit gern Tee oder Kaffee kochen.

Es ist, wie wir zuvor im Internet gelesen haben: "Viel Orient, wenig Express". Schon nach ein paar Minuten hält der Zug wieder. Häufig sind die Bahnsteige zu kurz für unseren Zug, oder es sind gleich gar keine da. Weil unser Waggon ganz hinten hängt, sehen wir immer erst beim Verlassen des Bahnhofs, wo wir gerade gehalten haben, und so wird die Angst, unseren Zielbahnhof zu verpassen, gegen Abend zur Speerspitze meiner latenten Reise-Vorabend-Phobie, von der ich mit Vernunft leider kaum zu heilen bin.

Das kleine Haus ist ein Bahnhof, die zwei sind hier ausgestiegen.

Sandra schafft es trotzdem irgendwie. Wir benennen das Symptom: Yorculuk = Reise, Korku = Angst. Folglich heiße ich "Yorculuk Korkuman".

Das ist unser Plan: Da wir nur ein 15-Tage-Visum für Syrien bekommen haben, aber 18 Tage im Land wären, führen wir mit dem Toros Express über die Grenze, wollen wir schon in Osmaniye aussteigen und von dort weiter nach Iskenderun ans Meer.

Aber schon der Mann im Hostel in Istanbul fragte uns, was wir in Iskenderun wollten: "One day is enough!" Unser Schaffner hält uns auch für bekloppt, weil wir in Osmaniye aussteigen wollen. "Go to Aleppo!" schärft er uns ein. Die Nacht wird kurz, weil wir planmäßig um 05:51 uhr zwei Stationen vor Osmaniye sein sollen. Außerdem meint man es scheinbar sehr gut mit uns, die Heizung bollert auf Hochtouren. Und es schaukelt natürlich. Man gibt es ungern zu, aber die Deutsche Bahn hat ihre Qualitäten.

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