Durch die Wüste

Wir sind um acht am Clocktower mit Achmad und unserem Fahrer verabredet, also lassen wir uns um sieben wecken, packen und gedenken auszuchecken. An der Rezeption ist aber niemand, nur ein kleiner Junge liegt auf dem Sofa und schläft. Und zwar sehr fest: Auf Geräusche reagiert er überhaupt nicht, als ich ihn anstupse, zieht er sich die Decke über den Kopf und schläft weiter.

Wir würden ja, ehrlich wie wir sind, auch einen Zettel und das Geld hinterlassen und gehen, aber wir sind im Hotel eingeschlossen. Wir erinnern uns an den Eintrag eines Deutschen im Gästebuch des Hotels, den wir direkt am ersten Abend gelesen haben: "Wie soll ich auschecken, wenn der Junge an der Rezeption immer schläft?"

Es hilft also nichts, ich rüttle noch einmal beherzt an dem Burschen und er erwacht und schließt auf. Während Sandra ein paar Snacks als Proviant besorgt, erläutere ich mit Hilfe eines Taschenrechners unsere Zahlungsabsichten und schließlich laufen wir kurz vor acht auf der Straße direkt einem Mann in die Arme, der sich als unser Fahrer herausstellt.

Er führt uns zu einem alten Skoda-Kombi und lädt unsere Rucksäcke ein. Da erscheint auch der smarte Achmad auf der Bildfläche, entschuldigt sich nochmal für das Missverständnis gestern und erklärt, es sei alles inklusive, nur die Eintritte leider nicht, aber heute seien das für uns eh nur 150 SYP. Zum Beweis seiner Großzügigkeit betet er nochmals unseren heutigen Reiseplan herunter: "Bee-Hive Houses, Assad Lake, Boat Trip (!), Al Arusafa, Palmyra".

Die Reise beginnt und schon bald erreichen wir Station 1: Die scheinbar traditionellen Behausungen der Region, deren Dächer einem Bienenkorb ähneln. Allerdings besuchen wir kein Freilichtmuseum oder ähnliches, sondern tatsächlich bewohnte Häuser, und so richtig mit den Bewohnern abgesprochen scheint das auch nicht gewesen zu sein, jedenfalls kommen wir uns doch ein wenig seltsam vor, als unser Fahrer uns herumführt, und die vier neugierigen Kinder achten sehr genau darauf, nicht im Bild zu sein.

Bienenhäuser, in denen Menschen wohnen.

Wir reisen weiter und lassen Aleppo hinter uns, biegen ab zum Assad-Stausee. Dort betrachten wir eine Burg auf einer Halbinsel, die durch tolle Aussicht auf den See, viele Fliegen und einen oberkörperfreien Deutschen besticht.

Das Wasser des Euphrat staut sich im Assad-Stausee. TADA!

Unser Fahrer wartet unten im Cafe, wo er uns zuvor überraschend "Lunch" angekündigt hatte. Stand doch gar nicht auf unserem Plan, Achmad hat uns doch Bananen mitgegeben? Als wir von der Burg wieder herunterkraxeln ist das aber eh egal, "Lunch finish!" gibt unser Fahrer gewohnt kryptisch zu Protokoll.

Die Sonne scheint direkt von oben, der Schatten beweist's.

Wir steigen wieder ein und Fahren los. Unser Fahrer schlägt vor, zusätzlich ein Wüstenschloss der Ummayaden anzusteuern, und zwar kostenlos als Entschuldigung dafür, dass es kein Lunch gab. OK, wir freuen uns aber erstmal auf unseren Boat Trip.

Als wir die kleine Anlegestelle mit Booten passieren, fragen wir zur Sicherheit noch mal nach: "Yes, yes!" kommt die Antwort, aber scheinbar nicht hier. Auch nicht auf dieser Seite des Stausees, denn wir fahren zurück über den Damm und in den Ort, den wir auf dem Hinweg durchquert haben. Hier hält unser Fahrer und besorgt uns wirklich unheimlich leckere Fladenbrote, frisch im Tonofen gebacken und mit einer Tomaten-Kräuter-Mischung gefüllt.

Jetzt also doch Lunch, ob er nun den Zusatztempel anfährt und dafür Geld will? Außerdem liegt der Stausee ziemlich in unserem Rücken, also vergewissern wir uns nochmal. Wir zeigen das Boot, das wir aus dem Kekskarton von Indra ausgeschnitten haben: "Boat!" - "Yes." Wir deuten auf uns beide und dann hinter uns in die Ferne: "Boat! We? Boat? Assad-Lake?" Da dämmert's! "Yes!" beteuert der Fahrer fröhlich und fährt los.

Spätestens als wir wieder auf der Autobahn richtung Raqqa fahren ist klar, dass er uns wieder nicht verstanden hat und wir lassen ihn sauer Achmad anrufen. Er kriegt zunächst aber nur den Hotelier unseres Zielortes dran, was ja mal gar nichts bringt, dann aber unseren Reiseleiter. Sandra und ich machen ihn jeweils ziemlich zur Sau, er beteuert, es hätte kein Boot gegeben oder er hätte keines organisieren können oder der Fahrer (wann denn?) habe ihn angerufen und mitgeteilt, die Besitzer der Boote seien nicht da. Als Entschädigung preist er den Tempel an, den wir doch eh schon dank entfallenem Lunch besuchen werden und verspricht, den Eintritt zu zahlen.

Sandra und ich sehen, nachdem wir unserem Unmut Luft gemacht haben, aber auch schnell keinen Sinn mehr darin, sich aufzuregen und legen auf.

Wir erreichen Al Arusafa, eine christliche Ruine in der Wüste. Hier herrschte der heilige Sergius, besser bekannt als Horst Sergio, über die zweitgrößten Zisternen des Orient, und die Überreste der Anlagen wissen selbst uns Angkor-Geschädigte zu beeindrucken, das will schon was heißen. Besonders die Abgeschiedenheit ist imposant.

Sandra und Jan inmitten einer verlassenen Stadt.

Weiter geht es ein langes Stück Fahrt durch noch mehr Wüste. Karges Land rechts und links, Berge, und doch, immer wieder Hütten und Menschen, die sich entschieden haben, hier zu leben.

Einmal passieren wir einen Traktor nebst Schafherde und Hirten. "Beduin!" triumphiert unser Fahrer. Soso, ziehen die also mittlerweile mit Treckern durchs Land.

Unser Fahrer setzt uns mitten in der Wüste auf die Straße.

Der Bonustempel, ein Wüstenschloss der Ummayaden, beeindruckt um so mehr durch die absolute Stille. Leider begleitet uns die Hälfte der Zeit ein Nervenarsch von Balg, das uns "Koala" verkaufen will. Nun ja, das erste Mal, dass dies geschieht, da sind wir ganz anderes gewöhnt.

Mitten in der Wüste wohnt es sich schön ruhig.

Die abschließende Fahrt wird dann auch noch richtig staubig, da die Piste hier ausnahmsweise mal ein paar Kilometer nicht geteert ist, was sich besonders schön an unseren Rucksäcken zeigt, als wir sie später vor dem Hotel dem Wagen entnehmen.

Das Hotel ist im übrigen in Ordnung. Abens um 11 wird noch gehämmert und draußen toben Kinder. Ist dies der "Las Vegas Party Place" Syriens? Mehr morgen.

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