St. Simeon und Syrer privat

Unser erster Ausflug mich Achmad-Tours. Die schlaue Sändy hatte dem aufstrebenden Tourorganisator einen hübschen Lockvogel ins Nest gesetzt: Wenn alles gut sei könnten wir ihn für unser Guide Book empfehlen!

Und es scheint Früchte zu tragen, unser Fahrer setzt uns in einen ziemlich neuen Peugeot-Kleinwagen. Allerdings spricht er nur Türkisch und Arabisch, und nachdem er bemerkt hat, dass wir ein oder zwei Worte Türkisch verstehen, labert er uns die ganze Zeit fröhlich eine Köfte ans Ohr. Aber das sollte eigentlich kein Problem sein, schließlich soll er uns ja nur anhand einer bekannten Route zu zwei Sehenswürdigkeiten kutschieren.

Achmad schenkt uns noch eine CD mit Fotos und klassischer Musik, toll! Wir fahren los, doch auch nachdem wir Aleppos Stadtgrenzen hinter uns gelassen haben wird Tempo 60 nicht überschritten. So erreichen wir nach gemütlicher Kaffeefahrt das St. Simeons-Kloster, bzw. das, was davon übrig ist. Aber: Achmads "everything included" hallt in unseren Ohren nach, als wir 300 SYP Eintritt entrichten. Der Betrag ist zwar nicht die Welt, aber es geht ums Prinzip.

Genau wie im Reiseführer, nur in Farbe: Das St. Simeons-Kloster.

Der Herr Simeon wurde verehrt, das hat ihn genervt und daraufhin hat er sich die letzten 30 Jahre seines Lebens auf eine Säule gesetzt, was dazu führte, dass er noch mehr verehrt wurde.

Dort, wo der Stein liegt, stand einst die Säule, auf der Simeon saß.

Um diese Säule haben Pilger ein Kloster und manch anderes Gebäude gebaut, deren pittoreske Überreste wir nun gebührend bestaunen. Zusätzlich kommt eine schöne Eidechse aufs Bild. Irgendwann kommt unser türkischer Fahrer, erzählt munter drauf los und singt.

Oben: Jan saugt die Heiligkeit in sich auf.
Mitte: Die Echse auch.
Unten: Sandra ist bereits heilig gewesen.

Wir fahren weiter und ab hier wird es lustig: Unser Fahrer kennt den Weg scheinbar nicht und fragt häufiger am Straßenrand nach. So weit, so gut, warum er aber noch langsamer fährt als bisher und rechts und links guckt, als gäbe es irgendwelche Hinweisschilder, weiß ich nicht. Im Reiseführer steht eine ziemlich akkurate Anfahrtsbeschreibung, aber was hilfts, er spricht ja kein Englisch.

Nichts desto trotz erreichen wir unser Ziel, einen Hügel, auf den irgendwann mal ein Hirte seine Schafe geführt und bemerkt hat: "Hoppla, hier ist ja ein Tempel!"

Das ganze äußert sich durch einen steinernen Löwen, der sofort Teil der "Jan sieht aus wie..." Compilation wird. Dem folgen ein paar Steine, zu denen vier riesige Fußstapfen führen. Keine Frage: Ein Gott ist hier reingelatscht. Die Aussicht ist wunderschön, die Landschaft grün. Im Reiseführer steht, dass wir in dem Haus, neben dem wir parken, Tickets hätten kaufen sollen, aber müsste sowas nicht unser Fahrer für uns organisieren? Immerhin macht er ein paar Fotos von uns.

Jan: "Eines Tages wird das alles dir gehören!"

Den Weg zurück nach Aleppo, den kennt er ja, also vervielfacht er seine Geschwindigkeit. Schwupps sind wir wieder da.

Wir rufen unseren Freund und SIM-Karten-Spender M. (name wird dem Syrischen Geheimdienst nicht verraten) an und verabreden uns mit ihm für 19 Uhr vor der Zitadelle, bis dahin ist chillen angesagt.

Wir sind pünktlich, er holt uns mit seinem Mitbewohner ab und lädt uns zu sich nach Hause ein. Wir laufen durch verwinkelte Gassen und landen schließlich in einem schön begrünten Innenhof, von dem zu vier Seiten Zimmer abgehen. Wir betreten das größte und bekommen Tee serviert.

Im Zimmer ist nichts, nur an der hinteren Wand liegen Matten, Decken und Kissen, darauf kauert ein weitere junger Mann an einem Computer. Gegenüber der Fensterfront gibt es Wandschränke.

Schnell werden wir zum Mittelpunkt der neugierigen Studentengesellschaft, alle sitzen sie um uns herum, fragen uns nach Alter, Beruf, Kindern, zeigen uns Musik auf ihren Handys oder Powerpoint-Präsentationen fürs Geopgraphie-Studium am Computer. Mit jedem Überblend- und Soundeffekt, den Powerpoint zu bieten hat.

Uns zu ehren verzichten sie alle auf Fleisch, ein paar der Jungs gehen einkaufen und bereiten danach ein köstliches Essen zu, es gibt Gurken-Tomaten-Salat, dazu Reis, Brot und Petersilie. Zu zehnt sitzen wir und speisen, herrlich, nun sind wir nicht mehr Touristen, sondern Gäste.

Nach dem Essen wird zu Melodien vom Handy getanzt, und da sie sich dabei fleißig selber mit ihren Telefonen filmen, haben auch wir keine Skrupel und halten drauf. Überhaupt: Wie lässt sich das mit dem Islam und "Kein Bild machen" eigentlich damit vereinen, dass an jedem Haus der Präsident prangt?

Anschließend ereilt uns allerdings die Bitte, die Videos keinem fremden Syrer zu zeigen, wegen Geheimpolizei. Kurz blickt durch, dass wir eine Diktatur bereisen. Hallo Stasi!

Man fleht uns beinahe an, auch noch dort zu nächtigen, bringt jedoch auch Verständnis auf, als wir dankend ablehnen, schließlich wollen wir ja noch andere Teile des Landes besuchen und müssen früh raus. M. und ein Kumpan begleiten uns noch ein weites Stück durch die Stadt auf unserem Heimweg ins Hotel.

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